Vereinsgeschichte
Das zweite Jahrhundert
1988 - 2008


Die Geschichte des Marburger Stenografenvereins 1887 e. V. ab 1988

 

Mit dem Jahr 1988 beginnt das 2. Jahrhundert des Bestehens des Marburger Stenografenvereins, zu diesem Zeitpunkt zählte der Verein 211 Mitglieder. Die Unterrichtstätigkeit war enorm, es wurden 12 Kurse in Kurzschrift mit rd. 160 Teilnehmern in der Friedrich-Ebert-Schule durchgeführt, etwa 350 Teilnehmer besuchten die 15 Kurse im Maschinenschreiben im Stenografenheim Am Schlag 11. Mehrere Meistertitel konnten bei den Bezirksmeisterschaften in Bad Nauheim, den Einzelmeisterschaften in Rüsselsheim sowie den hessischen Mannschaftsmeisterschaften in Hofheim errungen werden.

Im gleichen Jahr trennte sich der Verein von dem Freizeitgrundstück in Amöneburg, nach einer Fernsehserie "Ponderosa" genannt. Der Verkauf erfolgte schweren Herzens, aber die Bewirtschaftung durch die älteren Vereinsmitglieder war nicht mehr möglich und es fehlte der Nachwuchs. Geblieben sind viele schöne Erinnerungen.

Das darauf folgende Jahr 1989 stand für die Stenografen ganz im Zeichen von Franz Xaver Gabelsberger, dessen 200. Geburtstag am 9. Februar gefeiert wurde. Gabelsberger stammte aus Bayern und entwickelte im Laufe der Jahre ein kurzschriftliches System bis hin zu der Möglichkeit, die Kurzschrift für die Aufnahmen von Verhandlungen zu verwenden. Ihm zu Ehren fanden viele Veranstaltungen und Gedenkfeiern statt. Im Juni wurde eine Sondermarke der Post herausgeben, damit sollte die breite Öffentlichkeit an Leben und Wirken Gabelsbergers erinnert werden. Zu Ehren dieses Mannes hatte sich unser Verein bei der Gründung 1887 "1. Marburger Gabelsberger-Stenografenverein" genannt.

Auch für den Verein brachte das Jahr 1989 bedeutsame Veränderungen. Zwei bewährte Unterrichtsleiter, Hilde Stork und Christian Lehmann, gingen in den stenografischen Ruhestand. Sie waren die letzten Unterrichtsleiter, die nach 1945 den Vereinsunterricht wieder aufgebaut und maßgebend geprägt hatten. Fast symbolisch dazu hatte sich auch der Wechsel in den Unterrichtsräumen vollzogen. Das Stenografenheim Am Schlag wurde am 30.09.1989 aufgegeben. Durch Verhandlungen mit dem Direktor der Kaufmännischen Schulen und dem Schulamt der Stadt Marburg wurden dem Verein modern eingerichtete Klassenräume in den Kaufmännischen Schulen zur Mitbenutzung bei günstigen finanziellen Konditionen überlassen. Der Maschinenschreibunterricht konnte jetzt unter zeitgemäßen Bedingungen durchgeführt werden. Zeitgleich fand auch der Kurzschriftunterricht, der über 60 Jahre in der Friedrich-Ebert-Schule abgehalten wurde, dort statt.




Durch eine Zeitungsanzeige wurden Räumlichkeiten für ein neues Vereinsheim gesucht und gefunden, und zwar ideal gelegen gegenüber den Kaufmännischen Schulen in der Leopold-Lucas-Straße. Der Umzug mit dem Mobiliar, dem großen Archiv von Büchern und einigen Schreibmaschinen war schnell vollzogen. Die meisten vereinseigenen Schreibmaschinen wurden verkauft bis auf einige ältere Stücke, wie zum Beispiel die kleine "Erika", die erste Koffermaschine mit doppelter Umschaltung von 1910.




Wie im Jahr zuvor wurden bei den Wettschreiben einige Meister- bzw. Vizemeistertitel von Marburger Schreibern errungen. Die Bezirksmeisterschaften fanden in Biedenkopf statt, die hessischen Einzelmeisterschaft in Langen, beim Hessentag in Frankenberg gab es eine Bronzemedaille für die Stenografen.

Ein Höhepunkt im Vereinsleben war das Treffen mit den Schriftfreunden in Maribor vom 13. bis 16. Oktober 1989. Die Verbindung zu den dortigen Stenografen wurde bereits anlässlich des 10-jährigen Bestehens der Städtepartnerschaft Marburg - Maribor (1979) geknüpft unter dem damaligen Vorsitzenden Christian Lehmann. Eine Abordnung aus Maribor war zu den Feierlichkeiten nach Marburg angereist, ein Gegenbesuch in Maribor fand 1980 statt. Auch während der Kriegsereignisse auf dem Balkan wurden die Kontakte aufrechterhalten in der Hoffnung, dass der dortige Verein weiter bestehen kann. Leider zerfiel er später.

Nach dem Fall der Mauer 1989 wurden erste Kontakte mit den Schriftfreunden in Eisenach, der Partnerstadt von Marburg, aufgenommen. Ansprechpartner war Schriftfreund Jaritz, den eine kleine Abordnung des Vereins mit Schriftfreund Helmut Körner vom Bezirk Mittelhessen am 1. April und am 30. Juni in Eisenach-Mihla besuchte. Der Eisenacher Stenografenverein, ebenfalls ein alter Traditionsverein aus dem Jahre 1881, konnte zu DDR-Zeiten allerdings nicht weiter bestehen. Nach der Wende wurde Schriftfreund Jaritz die treibende Kraft für die Wiederbelebung des Vereins.





Das erfolgreichste Jahr für die Stenografen war das Jahr 1991. Bei den hessischen Mannschaftsmeisterschaften in Lorsch holten sich die Schreiber Rosemarie Berghöfer, Lydia Fülling, Manfred Luh, Margret Röhrig und Astrid Stoll den Meistertitel. Es war die erste Goldmedaille für den Marburger Verein seit 1969.





In den darauf folgenden Jahren erging es dem Verein wie allen anderen hessischen Vereinen: Die Mitgliederzahlen sanken, für viele Kursangebote gab es nicht genügend Teilnehmer. Besonders Kurse in Kurzschrift kamen kaum noch zustande. Durch die Technisierung wurde die Kurzschrift immer mehr in den Hintergrund gedrängt, in einigen Ausbildungsberufen war sie kein Pflichtfach mehr. Die Mitgliederzahlen sanken von 211 im Jahre 1988 auf 140 im Jahre 1995.

1997 feierte der Verein sein 110-jähriges Bestehen und gleichzeitig die Wiedergründung nach dem Zweiten Weltkrieg am 12. Januar 1947. Aus diesem Anlass fand am 11. und 12. Oktober der 113. Hessische Stenografentag mit den Einzelmeisterschaften in Marburg statt. Schirmherr der Veranstaltung war Oberbürgermeister Dietrich Möller. Die Stadt Marburg unterstützte den Verein nach Kräften, indem sie die Räume in den Kaufmännischen Schulen unentgeltlich zur Verfügung stellte. Stenografen und Maschinenschreiber aus ganz Hessen reisten an, um sich im schreiberischen Wettstreit zu messen. Zahlreiche Vereinsmitglieder halfen bei der Durchführung der Wettbewerbe und dem Rahmenprogramm an beiden Tagen. Den Schlusspunkt bildete die Siegerehrung durch den Verbandsvorsitzenden Stefan Senzig in Anwesenheit des Schirmherrn, Oberbürgermeister Möller.

Am 16. Mai 1998 beteiligte sich der Marburger Stenografenverein am bundesweit ausgeschriebenen Lernfest "Gestalten - Entfalten - Weiterbilden". Unter Federführung der Volkshochschule Marburg gab es die Möglichkeit, sich in der "Straße der Weiterbildung" zwischen dem Gebäude der Volkshochschule und der Friedrich-Ebert-Schule zu präsentieren. Mit Flyern wurde auf das Unterrichtsangebot des Vereins hingewiesen. Am Informationsstand auf dem Schulhof der Friedrich-Ebert-Schule waren unter anderem Schreibmaschinen aus den Jahren 1910 und 1920 ausgestellt. Attraktion war ein Gewinnspiel mit Fragen zur Kurzschrift, der deutschen Rechtschreibung und DIN-Regeln zur Textverarbeitung, bei dem drei Gewinner für die kostenlose Teilnahme an einem Kurs des Vereins ausgelost wurden.


Am 27. Dezember 1998 verstarb mit 65 Jahren Schriftfreund Klaus Fülling, der seit 1982 den Verein mit großem Idealismus bis zu seinem Tode erfolgreich geleitet hat. Schon seit 1962 war er als Kursleiter für Stenografie eingesetzt. Für seine Verdienste in jahrzehntelanger Tätigkeit um die Förderung von Stenografie und Maschinenschreiben würdigte ihn der Deutsche Stenografenbund. So wurde ihm anlässlich des 100. Geburtstages des Vereins in 1987 vom damaligen Präsidenten des Deutschen Stenografenbundes Gregor Keller der Ehrenbrief mit dem goldenen Abzeichen des Deutschen Stenografenbundes verliehen.


Nach dem plötzlichen Tod des langjährigen Vorsitzenden Klaus Fülling war guter Rat teuer. Wie sollte es mit dem Verein weitergehen? Nach vielen Gesprächen und Überlegungen war schließlich Lydia Fülling bereit, die Nachfolge ihres verstorbenen Ehemannes zu übernehmen und für das Amt der 1. Vorsitzenden zu kandidieren. So übertrug die Jahreshauptversammlung im Juni 1999 durch einstimmigen Beschluss Schriftfreundin Lydia Fülling die Verantwortung als neue Vereinsvorsitzende. Zur Wiederwahl für den Geschäftsführenden Vorstand standen als 2. Vorsitzende Anita Reisewitz, Kassierer Manfred Luh und als Schriftführerin Rosemarie Berghöfer zur Verfügung, Claudia Weber übernahm das Amt der Jugendvertretung im Geschäftsführenden Vorstand.

Im Laufe der letzten Jahre verschlechterte sich die finanzielle Situation des Vereins immer mehr. Auf der einen Seite sanken die Mitgliederzahlen rapide ab und pendelten sich bei etwa 70 bis 75 ein, sodass die Verbindlichkeiten durch die Mitgliedsbeiträge nicht mehr abgedeckt werden konnten. Ursache auf der anderen Seite war die Konkurrenz durch die Volkshochschule in Marburg, die entgegen der Vereinbarung aus dem Jahr 1956 auch Tastaturschreiben (früher Maschinenschreiben, jetzt am PC) angeboten hatte. So kam es, dass Erwachsene immer mehr die Angebote der VHS nutzten. Daraufhin musste der Verein sein Angebot gezielt auf Schüler und Jugendliche ausrichten, was sich im Nachhinein als gut erwiesen hat. Ab Herbst 1993 bot der Verein "Schülerkurse" für 11- bis 14-Jährige im Maschinenschreiben an, beworben durch spezielle Elternbriefe, die in verschiedenen Schulen verteilt wurden. Die Tastschreibkurse wurden zunächst für Schüler und Erwachsene auf elektronischen Schreibmaschinen durchgeführt, später dann ausschließlich an schuleigenen PCs, die der Verein gegen ein entsprechendes Entgelt in den Kaufmännischen Schulen mitbenutzen darf.

Um nicht aus finanziellen Gründen das vorzeitige Aus des Vereins herbeizuführen, wurde beschlossen, das angemietete Stenografenheim in der Leopold-Lucas-Straße zum 30. Juni 2003 aufzugeben. Es war nicht einfach, die "Schätze" unseres geschichtsträchtigen Vereins unterzubringen. Der umfangreiche Buchbestand wurde archiviert und Experten auf dem Gebiet der Stenografie sowie Archiven angeboten. Ein Glücksfall war, dass der restliche wertvolle Buchbestand im Stadtarchiv der Stadt Marburg im Oktober 2003 aufgelistet eingelagert werden konnte.

Ebenfalls im Jahre 2003 richtete der Verein am 11. und 12. Oktober den 119. Hessischen Stenografentag mit den Einzelmeisterschaften aus. Bei den Wettbewerben gingen rd. 100 Schreiberinnen und Schreiber aus 12 hessischen Vereinen und drei Gastvereinen an den Start. Während der beiden Wettschreibtage wurden die Teilnehmer von Vereinsmitgliedern und dem Vorstand ganztägig bewirtet. Die Wettbewerbe fanden in den Kaufmännischen Schulen statt, die die Stadt Marburg kostenfrei überlassen hatte.



Die Siegerehrung übernahm der Verbandsvorsitzende Stefan Senzig in Anwesenheit von Oberbürgermeister Dietrich Möller, Schulleiter Günther und Ehrenmitglied Wolfgang Berger. Oberbürgermeister Möller dankte dem Verein für die Ausrichtung der Meisterschaften und freute sich über das Zusammentreffen mit Wolfgang Berger, den er aus seiner Zeit als Landtagsabgeordneter und Landtagsstenograf kannte. Zum Abschluss seiner Rede zeichnete er die Vereinsvorsitzende Lydia Fülling und die Kassiererin Rosemarie Berghöfer für ihre jahrzehntelange ehrenamtliche Tätigkeit in der stenografischen Arbeit und anderen Institutionen mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen aus.

Eine weitere Überraschung gab es für beide Vorstandsmitglieder. Sie erhielten für ihre über einige Jahrzehnte geleistete Tätigkeit im Vorstand des Vereins sowie im Bezirk und Verband vom Verbandsvorsitzenden Senzig den Ehrenbrief des Deutschen Stenografenbundes mit dem goldenen Ehrenabzeichen. Als Rahmenprogramm konnten der an diesem Wochenende stattgefundene Elisabethmarkt und das Entenrennen auf der Lahn besucht werden.

Nur ein halbes Jahr nach seinem 90. Geburtstag am 12. Juni 2004 verstarb der Ehrenvorsitzende Christian Lehmann. Er bekleidete jahrzehntelang Vorstandsämter im Verein, von 1973 bis 1982 das Amt des 1. Vorsitzenden. Mit großer Begeisterung motivierte er seine unzähligen Schülerinnen und Schüler für Stenografie. Seine tatkräftige und kenntnisreiche Mitarbeit war als Wettschreibobmann auch im Bezirk Mittelhessen und im Hessischen Stenografenverband gefragt. Neben zahlreichen Ehrungen würdigte ihn der Verband sowohl mit der Ehrenmitgliedschaft als auch der Gabelsbergerplakette in Silber.


Am 12. Juli 2006 präsentierte sich der Verein auf der Marburger Vereinsmesse in der Stadthalle mit einem Stand. Die Besucher konnten sich über die Arbeit und die Kursangebote informieren. Auf Stellwänden waren entsprechende Plakate angebracht. Außerdem beteiligte sich der Verein an einer Schülerrallye, bei der es einige zur Verfügung gestellte Preise wie kostenlose Kursteilnahme zu gewinnen gab. Angeboten wurde auch ein kleines Wettschreiben, bei dem Interessierte ihre Schreibfertigkeit bei einer 5-Minuten-Abschrift testeten, dafür gab es eine Urkunde. Die Besucherzahlen am Vereinsstand waren erstaunlich hoch.


Im Jahre 2007 gab es zwei große Ereignisse: Zum einen wurde der Verein 120 Jahre alt, zum anderen feierte Marburg mit seiner Partnerstadt Eisenach das Jahr der Heiligen Elisabeth. In beiden Städten fanden viele Veranstaltungen statt. Aus diesem Grunde wurde eine Vereinsfahrt nach Eisenach geplant und durchgeführt. Dabei kam uns zugute, dass Herr Jaritz von den dortigen Stenografen sich angeboten hatte, mit ihm Eisenach zu entdecken und zu erleben. Neben einer großartigen Stadtführung gab es Gelegenheit zum Besuch der Wartburg und anderer Sehenswürdigkeiten. Parallel zur Landesausstellung über die Hl. Elisabeth im Creutznacher Haus war in einem Ausstellungsraum die Stenografiegeschichte Eisenachs, organisiert durch Herrn Jaritz, zu bewundern.

Aus Anlass des Vereinsjubiläums fand der 123. Hessische Stenografentag am 29. und 30. September 2007 in Marburg statt. Die Stadt Marburg stellte dem Verein die Kaufmännischen Schulen für die Wettbewerbe zur Verfügung, außerdem durfte die Schulcafeteria an beiden Tagen benutzt werden. Schwieriger war es, die vielen Helfer und die Verpflegung der Teilnehmer zu organisieren. Für die Zeit zwischen den Schreiben konnten sich die Teilnehmer an Stellwänden im Foyer der Schule über die Aktivitäten des Vereins informieren. Bei den Wettbewerben konnte Marburg zwar keine Meistertitel erringen, aber es gab einige sehr gute Leistungen. Bedauerlich, dass zu der Siegerehrung trotz Einladung kein Vertreter der Stadt Marburg erschienen war.


Am 13. März 2008 richtete der Verein den Bezirkstag Mittelhessen aus. Einige wenige Schreiber aus Biedenkopf und Gießen sowie die Marburger kamen zu den Wettbewerben in die Kaufmännischen Schulen. Bei den Wettbewerben stellte der Verein zwei Vizemeister, nämlich in Kurzschrift und im Tastaturschreiben. Am gleichen Tag feierte Helmut Körner, Wettschreibobmann für Kurzschrift des Bezirks Mittelhessen, seinen 80. Geburtstag mit Sekt und einer Geburtstagstorte.

Am 24. November 2008 verstarb unser Ehrenmitglied Hilde Stork im Alter von 82 Jahren. Sie gehörte seit den 50er Jahren dem Verein an, sowohl als Vorstandsmitglied als auch als Unterrichtsleiterin für Maschinenschreiben bis 1989.

(Zusammengestellt aus Geschäftsberichten und Protokollen der Jahre 1988 bis 2008 von Rosemarie Berghöfer)

(Ausführliches zu Veranstaltungen und Wettschreiben ab 2005 auch unter "Vereinsleben" und "Wettbewerbe")